Weinheim

Sation 7 – Weinheim, 18. September 2015

Geflüchtete, die Deutsch lernen und Rentnerinnen, die etwas zurückgeben wollen

Weinheim. In dem Ort, wo letztes Jahr der NPD-Parteitag stattfand und auch in diesem Jahr stattfinden soll, leben derzeit 200 Geflüchtete. In einer der Unterkünfte treffen sich wöchentlich Anwohner und Bewohner der Unterkunft zum Kennenlernen und gegenseitigen Austausch.

© Sebastian Stachorra
Verständigung: manchmal reicht ein Wörterbuch

Wir sind spät dran. Es ist 16 Uhr, seit einer Stunde gibt es Kaffee und Kuchen. Vor der Unterkunft spielen Kinder, rennen durch die Sitzkreise von Jugendlichen, die sich dort unterhalten, lachen, Kippen rauchen. Innen, im Gemeinschaftsraum, gibt es Kaffee und Tee, Kuchen und Obst. Jeden Freitag von 15 – 17 Uhr findet das Begegnungscafé statt – eine Möglichkeit für die neuen Nachbarn, sich kennenzulernen. Natürlich geht es aber auch um mehr. Während die einen schon lange in Weinheim leben, wissen die anderen nicht, ob sie bleiben dürfen. Die Einen bringen zu den Treffen Windeln mit, an denen es den Anderen mangelt.

Eine alte Dame hat sich ein Wörterbuch gekauft, mit dessen Hilfe sie sich mit einer jungen kurdischen Mutter verständigt. Die Windeln hat sie mitgebracht, „weil die hier ja keine haben. Daran denkt aber keiner!“ Wir fragen, warum sie zusammen mit ihrer Freundin zum Kaffee hergekommen ist. „Wissen Sie, uns geht es gut, wir haben unsere Rente. Da wollen wir auch etwas zurückgeben.“ Das Wörterbuch habe zehn Euro gekostet.

Einen Tisch weiter lernt Susi Deutsch. Die 24-Jährige ist auf dem Irak geflohen, dort war sie Ingenieurin. Sie erzählt uns, dass ihr Abschluss nicht anerkannt wird, deswegen muss sie ihren Abschluss in Deutschland erneut machen. Sie hofft, in zwei bis drei Jahren hier arbeiten zu können. Doch bevor das überhaupt möglich wird, muss ihr Asylantrag zunächst bewilligt werden. Wie lange das dauert und welche Entscheidung gefällt wird, ist ungewiss.

@ Sebastian Stachorra

© Sebastian Stachorra© Sebastian Stachorra

Das wöchentliche Begegnungscafé hat der Arbeitskreis Asyl organisiert. Pfarrerin Effi Rentrop erklärt, dass die Idee war,  „den Flüchtlingen in dem gleichförmigen Alltag einen Tag zu schenken, an dem Gesprächspartner da sind, wo man auch einfach ein bisschen Vermittlung zwischen den Kulturen hinkriegt und dass man sieht, dass es offene, freundliche Menschen gibt, die sich freuen, dass man sich begegnen kann, auch wenn man verschiedene Herkunftsländer hat.“ Sie erzählt uns aber auch, dass bald 150 Geflüchtete in einem Hotel untergebracht werden sollen. „Da greift das dann alles nicht mehr.“, stellt sie mit Blick auf die Möglichkeiten, sich gegenseitig kennenzulernen, fest.

Als wir um 17 Uhr 30 die Unterkunft verlassen, ist es noch warm. Auch wenn der offizielle Teil des Cafés für heute vorbei und das Kuchenbuffet abgebaut ist – die Jugendlichen werden noch eine Weile auf dem Asphalt sitzen, erzählen und zuhören. Ein ganz normaler Sommerabend in einem kleinen Ort in Baden Württemberg. Der NPD Parteitag wird in zwei Monaten hier tagen, für heute Abend scheint er weit weg zu sein.